Weltweit: Es ist gerade viel los hier...

„Es ist gerade viel los hier…“ Dieser Satz offenbart sehr viel von mir und meinem unkonventionellen Lebensstil, mit dem ich gut in die portugiesische Gesellschaft passe. Da ich dort, wo ich bin, immer alles andere um mich herum vergesse, machen aber viele meiner Freunde die Erfahrung, dass ich nicht so gut darin bin, sie auf dem Laufenden zu halten, was gerade los ist. Außerdem kommt bei der Vielfalt meiner Aufgaben immer wieder etwas zu kurz. „Ich sollte doch noch…“ ist ein weiterer Satz, der ständig in meinem Kopf herumschwirrt. Die vielen Dinge, mit denen ich den Satz vervollständigen könnte, werden deshalb noch lange nicht erledigt. Manchmal lähmen sie mich sogar, sodass ich gar nichts mehr auf die Reihe bekomme.
Seit mehr als 33 Jahren bin ich als Single Missionarin in Portugal unterwegs. In mehr als 20 Jahren Gemeindearbeit, Evangelisation, Sozialarbeit, Jüngerschaftsschulung und Seelsorge musste ich mich manchmal gegen liebevolle, portugiesische Geschwister wehren, die meinten, ich bräuchte einen Ehemann.
Oft kam ich mir vor wie die „freiwillige Feuerwehr“; überall wo „Not am Mann“ war, packte ich zu und half gerne. Als Single hatte ich jede Freiheit dazu und unter Christen wird Hilfsbereitschaft ja als „besonders geistlich“ angesehen. Dass mein Selbstwertgefühl dabei daran hing, dass andere mich brauchten, wurde mir erst bewusst, als ich Anzeichen von Burnout hatte. Ich musste ganz neu lernen, was meine Gaben und Vorlieben sind und es wurde deutlich, dass ich so nicht weiterarbeiten konnte. So verlagerte sich meine Arbeit auf Seelsorge und Member Care, die Begleitung von geistlichen Leitern, Pastoren, Missionaren und ihren Familien.
2014 zog ich in die Nähe von Lissabon, um mit Gleichgesinnten das Portugiesische Member Care Netzwerk aufzubauen. Dieser Traum verfolgt mich schon viel länger, aber vor 7 ½ Jahren konnte ich ein Haus in Lourinhã mieten, in dem ich in drei Gästezimmern Leute unterbringen kann, die eine Auszeit vom Dienst für Gott mit Begleitung suchen. Im Zusammenleben mit den Gästen kommt mir mein unkonventioneller Lebensstil wieder sehr zugute, denn sie kommen aus verschiedenen Ländern Europas, aus dem Mittleren Osten, Asien und Afrika. Um nicht auszubrennen, muss ich aber Pausen einplanen, um mich dem Garten, dem Aquarium, Bastelarbeiten, dem Standup-Paddleboarden, Spazierengehen oder anderen Hobbies zu widmen.
Ich habe gelernt, dass ich Prioritäten setzen muss und „Nein“ sagen soll. Ich brauche Momente der Ruhe und muss damit nicht warten, bis nicht mehr so viel los ist. Von wem ich das gelernt habe? Schaut mal nach in Markus 6,31. Da sagte Jesus: „Kommt mit an einen einsamen Platz, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus." Denn es war ein ständiges Kommen und Gehen, so dass sie nicht einmal Zeit zum Essen fanden.“ Jesus hat seine Jünger in die Stille gerufen, als so viel los war, dass sie nicht einmal Zeit hatten, etwas zu essen.
Ich bin dankbar für eine amerikanische Supervisorin, mit der ich regelmäßig online über Ziele in meinem Dienst nachdenke, und eine deutsche Gebetspartnerin, mit der ich einmal in der Woche am Telefon austauschen und beten kann. In zwei Gruppen für „Frauen im Dienst“ treffen wir uns 14-tägig mit Portugiesinnen und anderen Nationalitäten zur gegenseitigen Ermutigung. Für mich ist es ein Vorrecht, so ein internationales Member Care Team zu haben, die mich „umsorgen“, während ich für andere da bin.
Besonders entlastend ist, dass ich die Arbeit nicht mehr alleine bewältigen muss: Inzwischen ist das „Lado a Lado“ Member Care Team auf fünf Mitarbeitende gewachsen. Da wir nicht mehr allen Anfragen gerecht werden können, bemühen wir uns gerade, ein Haus zu kaufen, um die Arbeit auszuweiten. Wer weiß, vielleicht können wir ja auch bald einige von euch, die im Dienst für Jesus unterwegs sind, bei uns empfangen?
Wer mehr über uns erfahren möchte, darf gerne mal auf der Webseite von Lado a Lado stöbern.
Amrei Wehmeyer