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„Weihnachts-satt“ – und Bonhoeffers weise Warnung

Erster Weihnachtstag – und um mich herum ist es ungewöhnlich still, schreibt Missionarin Birgit Ufermann. Und dass nach einem quirligen Heilig Abend…

Als ledige Missionarin lebe ich allein in den peruanischen Anden, bin heute auch wirklich allein – und genieße es! Denn gestern, am 24.12., ging es umso lauter und quirliger zu, erst in unserem vierstündigen Weihnachtsgottesdienst mit über 200 Teilnehmenden und dann abends noch bei unserer fröhlichem Heiligabendfeier im Haus meiner peruanischen Freundin Adelina.

„Nur im Familienkreis“ hatte sie mir geantwortet, als ich fragte, wer denn alles mitfeiern würde; sie hatte dabei gegrinst… und ich auch… denn wir wussten beide, dass das keine ganz kleine Runde werden würde. Peru ist eindeutig eine „Kollektivkultur“, und am Ende waren wir 18 Leute zwischen drei und siebzig Jahren, dazu ein großer Hase (mit rot-weißer Weihnachtsmütze) und später noch ein verspielter Hundewelpe. Über sechs Stunden waren wir zusammen, haben gesungen, unseren Gott gelobt, gespielt, unter viel Gelächter Wichtelgeschenke ausgepackt. Wir haben lecker gegessen, viel erzählt und sind bei einer biblischen Reflexion und einer Gebetsrunde erstaunlich still geworden. Um Mitternacht fielen wir uns in die Arme, wünschten uns eine „¡Felíz Navidad!“, während draußen die Feuerwerkskörper krachten; und kurz vor 2.00 Uhr nachts wurde ich dann von zwei „Bodyguards“ buchstäblich um die Ecke gebracht – dort wohne ich nämlich.

Heute dann – „the day after“ – das komplette Kontrastprogramm: Alleinsein, Stille, Nachklingenlassen des gestrigen Tages, ganz ohne Verpflichtungen, und selbst das Telefon und WhatsApp schweigen. Ich bin einfach nur dankbar, froh und eben: weihnachts-satt… im ganz positiven Sinn. Gesättigt von Freude darüber, dass Gott uns in Jesus so nahegekommen ist und wir ihn gemeinsam loben können; gesättigt aber auch von Dankbarkeit für das besondere Geschenk, in dieser anderen Kultur – und speziell in dieser einen Großfamilie – so herzlich integriert zu sein und echte Freunde gefunden zu haben. Und nicht zuletzt auch gesättigt vom reichlichen, leckeren Essen, von Gelächter, Gemeinschaft und dem bereichernden Mehrgenerationen-Miteinander.

Während ich noch über diesen intensiven Kontrast zwischen dem 24. und 25. Dezember nachdenke, kommt mir Dietrich Bonhoeffers weise Warnung aus seinem lesenswerten Buch „Gemeinsames Leben“ in den Sinn: „Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemeinschaft. Wer nicht in der Gemeinschaft steht, der hüte sich vor dem Alleinsein.“

Als langjährige Reiterin leuchtet mir der Vergleich vollkommen ein: Man kann auf beiden Seiten vom Pferd fallen… übrigens als Ledige wie auch als Verheiratete. Aber heute empfinde ich mich als reiche Frau, weil beides in meinem Leben seinen festen Platz hat, weil ich beides genießen kann, wohl auch manchmal unter beidem leide... Aber mir ist bewusst, dass das zivilstandsunabhängig ist.

Und als mir eine Ehefrau und Mutter kurz vor Weihnachten erzählte, dass sie statt „Alle-Jahre-wieder-Familientraditionen“ eigentlich viel lieber einige Leute einladen würde, die sonst vielleicht nicht viel zu feiern hätten, da dachte ich mir, dass ich als Ledige vielleicht sogar einen Vorteil habe. Ich bin an keine Traditionen gebunden, vielmehr werden bei mir jedes Jahr „die Karten neu gemischt“ und ich kann eine ganze Menge dabei mitgestalten.

Und gerade bin ich doppelt überrascht: zum einen, weil ich mich erinnere, dass ich genau vor einem Jahr auch einen Newsletter-Artikel geschrieben habe, damals allerdings über meinen ungeplant allein verbrachten Heiligabend. Mein Schluss: „Aber so, wie ich mich kenne, werde ich in zwölf Monaten wohl auch gerne wieder einen gemeinsamen Heiligabend planen…“.  Nun, das hat sich erfüllt.

Und zum anderen stelle ich gerade verblüfft fest, dass ich auch vor einem Jahr bereits Bonhoeffers weise Warnung zitiert habe; sie scheint mich gründlich zu beschäftigen, und so möchte ich auch in 2024 wieder aktiv beides kultivieren: die Gemeinschaft und das Alleinsein.

Birgit Ufermann, Peru

 

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